16.

„Ich wusste, du würdest wieder zur Vernunft kommen“, lächelt Frank Marlena später am Abend selbstzufrieden an, während er sich auf seinem Barhocker zurücklehnt. „Du wirst sehen, du wirst Simon gar nicht mehr gehen lassen wollen, wenn ihr erst mal ein paar Gigs mit ihm gespielt habt!“
Die Band hat keine Zeit verloren: Innerhalb von zwei Stunden hatten Tobi und Lukas einen Ordner mit Noten und Akkorden zu den einzelnen Stücken zusammengestellt, während Marlena und Tilman detailliert aufgeschrieben hatten, an welchen Stücken in den kommenden Tagen zu welcher Zeit wie gearbeitet werden sollte. Zwei-, dreimal hatten sie mit Simon telefoniert, um Probentermine mit ihm fest zu machen und ihn nach seinen technischen Anforderungen für Proben und Auftritte zu fragen.
Das einzige, was noch offen gewesen war, als sie den Proberaum verließen, war es, Frank die Nachricht zu überbringen. Dessen Freude explodiert erwartungsgemäß vollkommen durch die Decke, noch bevor Marlena ihre Geschichte zu Ende erzählt hat. „Dieser Typ ist einfach der perfekte Mann für euch – das wusste ich schon, als ich ihn letzte Woche das erste Mal hab spielen hören“, steigert er sich weiter in seine Begeisterung hinein, während Tobi und Tilman an der Theke des ‚Herler Eck‘, ihrer Stammkneipe nahe des Proberaumkomplexes, für Getränkenachschub sorgen.
Marlena lächelt müde. „Ja, Simon ist ein guter Keyboarder“, stimmt sie Frank zu. Sie hat schon vor langer Zeit gelernt, dass es sehr viel entspannter ist, ihn so lange es irgendwie geht in dem Glauben zu lassen, dass seine Pläne voll aufgehen werden und dass es keine Risiken und Nebenwirkungen seiner Ideen gibt. Sollte es am Ende doch anders kommen, würde er noch früh genug anfangen, rumzustressen.
Frank geht gar nicht groß auf sie ein. „Wir müssen das unbedingt prominent vermelden“, plant er weiter, als die vier Bandmitglieder wieder am Stehtisch in der Ecke versammelt sind. „Wir sollten morgen direkt Fotos für die Website machen. Simon muss ein paar Fragen für seinen Steckbrief ausfüllen, und ich muss den Vertrag für ihn fertig machen…“
„Frank, wir wären dir sehr dankbar, wenn wir Simon zunächst einmal als unseren Keyboarder für die Tour vorstellen könnten – denn das wird er sein. Er wird nicht direkt unserer GbR beitreten“, sagt Tilman mit entschlossener Stimme. So hatten die Freunde es abgesprochen, bevor sie den Proberaum verlassen hatten; wissend, dass sie Franks Begeisterungs-Tatendrang unbedingt auf ein der Situation angemessenes Maß zügeln mussten – eine Aufgabe, der Tilman am ehesten gerecht werden konnte. Sie würde so oder so schon sehr schwierig umzusetzen sein.
Und wirklich: Kaum hat Tilman seine Worte ausgesprochen, sieht man, wie in Franks Gesicht etwas zerplatzt; irgendeine imaginäre Seifenblase, auf der er in viel zu hohe Sphären geschwebt und nun unsanft auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet war. „Keyboarder für die Tour? Was redest du da, Tilman?“
Er runzelt die Stirn, wodurch seine Geheimratsecken noch größer erscheinen als sonst schon. „Wir können uns keinen Sub leisten! Simon sollte von vorneherein genauso an den Einnahmen beteiligt werden wie ihr – wenn es denn am Ende welche gibt.“ Der Blick, den er Tilman zuwirft, ist einfach zu deuten. Du hast dieses Business einfach nicht verstanden, oder? Tilman lässt sich nicht beirren. „Simon wird auch nicht als regulärer Sub bezahlt, er kriegt lediglich eine Aufwandspauschale. Das ist sehr entgegenkommend von ihm, findest du nicht auch?“
Frank entgleiten alle Gesichtszüge. „Eine AUFWANDSPAUSCHALE? Tilman, ihr habt kein Geld!“ Seine Stimme klingt aufgeregt. „Selbst, wenn der Typ pro Gig nur 100 Euro haben will – was ein Witz wäre! – und euch alle Probentage, seine gesamte Vorbereitung und 100%ige, zeitliche Flexibilität schenkt, sind das verdammt nochmal über 2000 Euro die ihr nicht habt!” Entsetzt reißt er die Augen auf. „Ich hoffe, das habt ihr ihm nicht in Aussicht gestellt?”